Die Pimax Artisan ist die neue Pimax VR Brille im Einsteigerbereich. Mit einem Preis von $449 für die Brille allein steht sie in direkter Konkurrenz zur Valve Index ($499) im Markt der SteamVR Lighthouse Tracking kompatiblen VR Brillen.
In diesem Vorbericht werdet ihr herausfinden, warum die Artisan zwar kein Valve Index Killer ist, aber dennoch eine der spannendsten VR Brillen, die Pimax bis jetzt herausgebracht hat und warum sie eine echte Option für Käufer darstellt, die auf der Suche nach einer neuen VR Brille mit großen Sichtfeld sind.
Überblick
Die Pimax Artisan ist voll kompatibel mit dem SteamVR Lighthouse Tracking. Um sie zu benutzen, braucht man SteamVR Basisstationen und kompatible Controller wie z.B. die Vive Wands oder die Valve Index Controller. Das macht die Artisan zu einer interessanten Upgrade Option für Konsumenten, die Lighthouse VR Brillen der ersten Generation (z.B. HTC Vive) besitzen.
Für alle die sich für eine Artisan interessieren aber noch keine Basisstationen und Controller besitzen bietet Pimax ein Komplettpaket bestehend aus VR Brille, Valve Basisstationen (v.2.0) und Valve Index Controllern für $948 an. Die Brille ist deshalb auch mehr ein Valve Index als ein Rift S Konkurrenzprodukt. Die Rift S ist nämlich bereits für 449€ erhältlich und zu diesem Preis beinhaltet sie schon alles, was man benötigt, um das VR Headset benutzen zu können. Deshalb werde ich mich in diesem Vorbericht auch auf die Valve Index konzentrieren, wenn es um direkte Vergleiche mit anderen VR Brillen geht.
Wie die anderen Pimax Brillen hebt auch die Artisan sich durch ein breiteres Sichtfeld (FOV) von der Konkurrenz ab. Mit einem maximalen diagonalen Sichtfeld von 170° bietet sie ein breiteres FOV als die Valve Index mit ihrem 135° Sichtfeldbereich. Es erreicht jedoch nicht die 200° die wir sonst von den Pimax Brillen gewohnt sind und welche man auch bei den Flaggschiff Modellen 8K X und 8K Plus vorfinden kann. Das ist jedoch eher Segen als Fluch und wir werden noch später zu den Gründen dafür kommen.
Die beiden LC-Displays warten mit einer Auflösung von 1700*1440p pro Auge auf und erreichen eine maximale Frequenz von 120hz. Das ist schon wesentlich besser als die Kenndaten der Rift S (1280*1440p, 80hz) und die Artisan bietet eine etwas höhere Auflösung als die 1600*1440p pro Display der Valve Index. Obwohl die Auflösung der Index Displays etwas geringer ausfällt, hat die Brille bei der Bildwiederholfrequenz von maximal 144hz die Nase vorn.
Verarbeitungsqualität, Komfort und Eigenschaften
Im Gegensatz zu den teureren Pimax Modellen wird die Artisan nicht mit einer festen Kopfhalterung wie dem „Modular Audio Strap“ ausgeliefert sondern lediglich mit einem konventionellen elastischen Band, wie man es auch schon von den Vorgängermodellen her kennt.
Um den Tragekomfort trotz des einfachen Elastikbandes zu steigern wird die Artisan mit dem sogenannten „Comfort Kit“ ausgeliefert, einem verbesserten Gesichtspolster, das einen breiteren Kontaktbereich für die Stirn bietet.
Im Gegensatz zu früheren Pimax Modellen waren bei dem Artisan Modell, welches MRTV zur Verfügung gestellt wurde, Over-Ear Kopfhörer dabei, die direkt mit dem elastischen Kopfband verbunden waren. Diese Kopfhörer waren auch schon bei der Pimax 4k dabei und damals gab es überwiegend positives Feedback.
Ansonsten ist die Artisan äusserlich nicht von früheren 5K/8K-Pimax-Modellen zu unterscheiden. Sie verwendet exakt dasselbe Gehäuse, an welchem IPD-Einstellrad, Ein-/Aus-Taste, Lautstärkeregler, eine einzelne 3,5-mm-Audiobuchse und zwei USB-C-Anschlüsse zu finden sind. An letztere können in Zukunft Upgrades wie das Eyetracking oder das Handtrackingmodul angschlossen werden, welche beide kompatibel zur Artisan sein werden.
Dank des Comfort Kits ist die VR Brille in der Tat wesentlich komfortabler als die früheren Pimax Modelle. Allerdings kann es in Bezug auf Komfort und Benutzerfreundlichkeit nicht ganz mit Valve Index und Pimax 8K X/Plus mithalten. Alle diese konkurrierenden Headsets bieten feste Kopfgestelle, die einfach durch Drehen eines einzigen Einstellrades an den jeweiligen Träger angepasst werden können.
Für Benutzer, die das Headset nicht mit anderen teilen und daher das Kopfband nicht bei jeder Benutzung neu justieren müssen, könnte das elastische Headstrap in Verbindung mit dem Comfort Kit eine durchaus akzeptable Lösung darstellen. Diese fühlt sich jedoch veraltet an, wenn man bedenkt, dass die Valve Index eine weitaus bessere und hochwertigere Lösung zu einem ähnlichen Preis bietet.
Auch in Bezug auf die Verarbeitungsqualität sind die beiden Brillen Welten voneinander entfernt. Die Valve Index bietet eine weitaus höhere Gehäuse- und Verarbeitungsqualität. Die Index fühlt sich einfach wie das vollständigere und besser konstruierte Gerät an. Die Artisan kann da absolut nicht mithalten.
Displays, Linsen und FOV
Neben dem Tragekomfort ist natürlich die Bildqualität in VR von größter Bedeutung für die Kaufentscheidung. Die Artisan bietet eine überraschend gute Bildqualität, mit der das Eintauchen in die virtuelle Realität wirklich Spaß macht.
Die beiden RGB-Streifenmatrix-LC-Displays haben eine Auflösung von 1700*1440p pro Auge, und obwohl das eine geringere Auflösung als die 2560*1440p pro Auge der Pimax 5K Plus ist, sieht das Bild mit einem weniger wahrnehmbaren Fliegengitter Effekt noch etwas besser aus als das des bisherigen Pimax Einsteigermodells.
Der Grund dafür ist wahrscheinlich eine kleinere Displaygröße, die auch das kleinere maximale FOV von 170° im Vergleich zu den 200° FOV der anderen Pimax-Modelle erklären würde. Wie bereits angedeutet, ist die Verringerung des Sichtfeldbereichs tatsächlich gar kein Nachteil, das Gegenteil ist sogar der Fall.
Der Sichtbereich von 170° erlaubt eine fantastische Immersion und ist deutlich breiter als das FOV der Valve Index. Dennoch gibt es kaum merkliche Verzerrungen im Bild, ein Problem, mit dem alle anderen Pimax-Headsets zu kämpfen haben. Von allen Pimax Modellen ist die Artisan das Pimax Headset mit den geringsten Verzerrungsproblemen. Das macht sie zur ersten Pimax VR Brille, die nicht nur VR Enthusiasten, sondern auch normale Endkunden zu einem Kauf verleiten könnte.
Ein weiterer Vorteil im Vergleich zu den anderen Pimax Modellen ist der größere Bereich der Sichtfeldüberlappung („Binocular Overlap“). In der Artisan fühlt es sich wesentlich angenehmer an, auf Objekte im Zentrum des Sichtfeldes zu fokussieren. Die Pimax-Modelle mit ultraweitem FOV scheinen den Bereich der Sichtfeldüberlappung zu verringern, um den Sichtfeldbereich um jeden Preis zu maximieren.
Der Sichtfeldbereich um die 170° der Artisan könnte für Pimax den besten Kompromiss darstellen, um auch in Zukunft VR Brillen mit großem FOV anzubieten, die aber gleichzeitig hohen Sehkomfort bieten, ohne die Augen unnötig anzustrengen. Auch nach stundenlangem Spielen hatte ich keinerlei Probleme mit meinen Augen. Das ist etwas, was ich zuvor noch bei jedem Pimax Headset auszusetzen hatte und was die Artisan meiner Meinung nach so gut macht.
Die Farben und Schwarzwerte entsprechen im Allgemeinen denen der früheren Pimax Displays. Im direkten A-B-Vergleich mit der Pimax 5K Plus sahen die Farben jedoch lebhafter und besser aus als beim Vorgängermodell. Im direkten Vergleich mit der Valve Index kann die Artisan in Bezug auf Farben und Schwarzwerte nicht an die Qualität der Index Displays herankommen. Dasselbe gilt für die Bildschärfe und den sichtbaren Fliegengittereffekt. Beides ist bei der Valve Index besser.
Die Artisan hat jedoch einen Vorteil, wenn es um die Größe des Sweetspots geht, also dem Bereich, in welchem der Benutzer das schärfste Bild sieht. Dieser Bereich ist beim Pimax Headset größer, was mit den größeren Linsen zu tun haben sollte.
Bei den Linsen handelt es sich um die gleichen Fresnellinsen, die bei allen neueren Pimax Modellen verwendet werden. Sie leisten gute Arbeit und haben einen großen Vorteil gegenüber den Valve Index Linsen: Bei Szenen mit hohem Kontrast gibt es viel weniger Schlierenbildung („God Rays“). Diese God Rays sind ein großes Problem der Valve Index, und Verbraucher, welche die Index wegen dieses Problems nicht kaufen wollen, könnten sich vielleicht stattdessen die Artisan einmal genauer ansehen. Das God Ray-Problem ist hier zwar auch nicht perfekt gelöst, aber es ist schwächer ausgeprägt als bei der Valve Index.
Audio
Die Kopfhörer, die bei meinem Testgerät mitgeliefert wurden, tun ihren Job ausreichend gut.
Sie sind gut genug um eure Besuche in den virtuellen Welten klanglich zu untermalen und mir gefällt der Sound immerhin besser als der von Rift S und Quest.
Die Kopfhörer klingen also in Ordnung sind aber nicht großartig. Es mangelt doch schon sehr an Bass. Im direkten Vergleich mit dem Sound der Valve Index kann die Artisan absolut nicht mithalten. Wenn ihr jedoch nicht zu der Gruppe der audiophilen VR Fans gehört sind die Kopfhörer gut genug und können im Alltagsgebrauch ohne Probleme eingesetzt werden, ohne allzu negativ aufzufallen oder euch gar das VR Erlebnis zu verderben.
Benchmarks
Das Artisan wird als Einstiegsmodell vermarktet, das von jedem mit mindestens einer GTX 1050Ti/1060 verwendet werden kann. Ich hatte keinerlei Probleme, das Headset mit meiner 1080ti zu betreiben, was nicht weiter verwunderlich ist.
Als nächstes schauen wir uns mal die OpenVR Benchmark Werte an.
Auf meinem GTX 1080ti System und der Artisan (SteamVR Supersampling auf automatisch gestellt, Renderauflösung 2288*2416)
erhalte ich in der Open VR Benchmark-App ein Ergebnis von 33 fps, was ein sehr respektables Ergebnis ist.
Derselbe Benchmark führt zu 43 fps, wenn er mit der Valve Index bei einer Renderauflösung von 2016*2240 auf derselben Maschine ausgeführt wird.
Für diejenigen, die mit dem Open VR Benchmark-Tool nicht vertraut sind: Ergebnisse unter 90 fps sind eher die Norm als die Ausnahme, und es wird einfach die exakt gleiche Szene auf den verschiedenen Headset/GPU-Kombinationen abgespielt und die resultierende Anzahl von Bildern pro Sekunde (fps) gemessen. Dieser Wert kann dann mit anderen Headset/GPU-Kombinationen verglichen werden.
Um Ergebnisse besser einordnen zu können könnt ihr das kostenlose Tool ja einmal mit eurer eigenen aktuellen Konfiguration und VR Brille ausführen, um herauszufinden, wieviel fps ihr bei exakt derselben Open VR Benchmark Szene mit eurem VR Headset auf eurem Rechner erreichen würdet.
Die Artisan wird mit Sicherheit auf allen Rechnern mit midestens einer GTX 1060 ausreichend gut und ähnlich flüssig wie eine Valve Index laufen.
Tracking/Controller
Für dieses Preview habe ich die Artisan mit Valve Index Controllern und Valve Lighthouse Basisstationen vom Typ 1.0 getestet. Wie erwartet funktionierte das Headsettracking einwandfrei und die Index Controller sind natürlich auch mit der Artisan über jeden Zweifel erhaben.
Um die CES 2020 herum hatte Pimax auch eine Version der Artisan in Aussicht gestellt, die mit dem Nolo Tracking System und den Nolo Controllern als Alternative zum Valve Lighthouse Tracking geliefert werden sollte. Ich hatte keine Gelegenheit, dieses System zu testen, und ich konnte auch keine Erwähnung mehr auf der Pimax Website finden. Sollte es dennoch zu einer Veröffentlichung eines derartigen Sets kommen, werde ich dies in einem weiteren Artikel behandeln.
Software Kompatibilität/Einrichtung
Die Pimax Artisan ist, wie alle anderen Pimax Brillen auch, vollständig mit der gesamten SteamVR-Bibliothek kompatibel. Die Software, die für die Pimax-Headsets benötigt wird („Pitool“), ist sogar in der Lage, Oculus Rift-Spiele auszuführen, ohne dass ein zusätzliches Tool wie z.B. ReVive benötigt wird.
Das Einrichten des Headsets ist viel einfacher, als man es von einer Pimax Brille erwarten würde und dauert nur ein paar Minuten. Die Software hat sich seit den frühen Anfängen zur Zeit des Pimax 8K Kickstarters stetig weiterentwickelt und die Standardeinstellungen sollten inzwischen für die große Mehrheit der Benutzer völlig in Ordnung sein.
Fazit
Die Pimax Artisan ist eine der spannendsten Pimax VR Brillen, die das Unternehmen bis jetzt herausgebracht hat. Sie bietet ein VR Erlebnis mit sehr breitem Sichtfeld, welches nicht in dem Maße durch Verzerrungen beeinträchtigt wird, wie dies bei früheren Pimax Modellen der Fall war. Der attraktive Preis macht sie zudem auch interessant für viele VR Fans, die ihre Lighthouse Brillen der ersten Generation durch eine VR Brille mit breiterem FOV ersetzen wollen.
Wenn die Artisan zum gleichen Preis angeboten würde, aber mit dem Deluxe Modular Audio Strap der Pimax 8K X geliefert werden würde, könnte man die Artisan der Index tatsächlich vorziehen. Das breitere Sichtfeld und die nicht vorhandenen God Rays sprechen in der Tat für die Artisan.
Tatsächlich wird sie allerdings mit einem unzeitgemäßen elastischen Headstrap, der schlechteren Audiolösung und der allgemein wesentlich minderwertigeren Verabeitungsqualität ausgeliefert. Deshalb ist und bleibt die Valve Index auch immer noch das beste VR Gesamtpaket auf dem Markt und meine klare Empfehlung für alle VR Enthusiasten.
Für diejenigen unter euch, die nach einer VR Brille suchen, welche ein breiteres FOV bietet und weniger Godrays aufweist als die Index, ist die Artisan jedoch weiterhin eine spannende Option, die einen Kauf durchaus wert ist.