Die Vive Pro 2 ist HTCs neuestes PCVR-Headset, das sich an Unternehmenskunden und VR-Enthusiasten gleichermaßen richtet. Es verspricht ein breiteres 120° FOV und ein High-End VR-Erlebnis dank der verbesserten Auflösung von 2,5k * 2,5k Pixeln pro Auge und einer höheren 120hz-Bildwiederholrate. Hält HTC dieses Versprechen und ist das Gerät den Preis von 799€ für das Headset allein wert?
Die Antwort, die für Euch individuell zutrifft hängt von vielen Faktoren ab, einer davon ist, von welchem Headset Ihr aufrüsten wollt und was für Euch bei einem Headset wichtig ist.
Die Vive Pro 2 ist ein solides Update, was das Bild angeht, aber ansonsten geht HTC hier auf Nummer sicher und entfernt sich nicht allzu sehr von der ursprünglichen Vive Pro Formel. Für einige Aspekte der Brille ist das gut, für andere ist es schwer zu verstehen, weil die Konkurrenz mit innovativen VR Brillen wie der Valve Index und der Reverb G2 inzwischen schon Industriestandards gesetzt haben, mit denen man sich vergleichen können muss.
Verarbeitungsqualität & Komfort
Fangen wir mit den Grundlagen an. HTC hat keine Designänderungen an der Pro 2 vorgenommen. Von außen könnte man Pro 1 und 2 nicht unterscheiden, wären da nicht einige leichte Farbveränderungen am Gerät. Das war wahrscheinlich der wirtschaftlichste Weg, um das Gerät schnellstmöglich auf den Markt zu bringen, spannender für uns Verbraucher macht es das allerdings nicht, im Gegenteil. Die Pro 2 hat soviel Sexappeal wie die x.te Neuauflage eines VW Passat Kombi.
Die Pro 2 ist jedoch genauso solide und gut verarbeitet wie sein Vorgänger und es gibt genauso viele Möglichkeiten, sie an den individuellen Benutzer anzupassen. Wir haben eine manuelle IPD-Einstellung mit einem Bereich von 57 mm bis 70,5 mm und man kann auch die Entfernung von Linsen zu Auge regeln, so dass Brillenträger mehr Platz für ihre Brille im Headset schaffen können.
Das Headstrap ermöglicht dem Benutzer eine schnelle Größenanpassung mit einem Einstellknopf und ich persönlich finde das wesentlich besser als diese Klettverschlusslösungen, wie man sie z.B. bei der Reverb G2 hat.
Bei den Kopfhörern hat HTC jedoch tatsächlich eine kleine Designänderung vorgenommen. Es handelt sich immer noch um On-Ear Kopfhörer, aber zumindest der Teil, der die Ohren des Nutzers berührt, wurde aktualisiert und fühlt sich besser an als zuvor, vor allem bei längeren Spielesessions. Allerdings müssen sich diese Kopfhörer mit dem aktuellen Goldstandard im VR Audiobereich messen: den Valve Index Kopfhörern. Darauf werden wir im Audioteil dieses Tests noch genauer eingehen.
Insgesamt ist die Verarbeitungsqualität großartig. Besonders hervorheben möchte ich hier das Kabelmanagement. Es ist gut durchdacht und das Kabel wird vom Headset selbst unauffällig und elegant zur Rückseite des Headstraps geführt.
Apropos Kabel: Die Pro 2 ist auch mit dem Vive Wireless-Modul kompatibel, wenn Ihr also kabelloses Spielen bevorzugt, ist auch das möglich, allerdings für einen ziemlich heftigen Aufpreis von 399 Euros.
Da sich am Design nichts geändert hat, ist die Pro 2 auch mit dem HTC Vive Facial Tracker kompatibel. Das sind gute Neuigkeitn für alle diejenigen, welche die Brille für soziale VR-Erlebnisse nutzen möchten
Der Komfort der Pro 2 ist wirklich gut. Dank des hervorragenden Headstraps sitzt das Gerät ausbalanciert auf dem Kopf. Es ist nicht vorderlastig und die Polster sind so weich und anschmiegsam wie immer. Das Tragen der Pro 2 fühlt sich an, als würde man den Kopf in ein bequemes Sofa stecken. Wer von Headsets kommt, die keine so üppige Polsterung bieten, muss sich an diesen Komfort vielleicht erst einmal gewöhnen.
Bildqualität
Aber kommen wir nun zu den Upgrades! Bei Virtual Reality geht es vor allem um das Eintauchen in die virtuelle Welt und dabei spielt die Optik eine große Rolle. HTC hat mit der Pro 2 hier bei der Bildqualität massiv aufgerüstet. Die Pro 2 verfügt nun über zwei LCD-Panels mit einer Auflösung von jeweils 2,5k x 2,5k Pixeln pro Auge, die eine Bildwiederholrate von 120hz haben. Und wow, diese Displays sehen einfach toll aus!
Wie zu erwarten war, gehört der Fliegengitter-Effekt nun wirklich komplett der Vergangenheit an, und es gibt keine hässlichen Pixellücken mehr, die uns daran erinnern würden, auf einen Bildschirm zu starren. Man ist einfach nur drin in dieser virtuellen Welt! Die Pixeldichte pro Grad, die Headsets wie die Pro 2 oder Reverb G2 bieten, scheint der Sweetspot zu sein, um genau das zu erreichen. Virtuelle Welten sehen in der Pro 2 einfach fantastisch aus und die Auflösung ermöglicht eine Schärfe und Klarheit, die bisher nur die Reverb G2 bieten konnte. VR-Veteranen, die von allen anderen bekannten Headsets kommen, werden diese Steigerung der Bildqualität ohne Zweifel sofort wahrnehmen und diese schnell als neuen Standard übernehmen.
Die Panels bieten nicht nur eine hohe Auflösung, sondern auch intensive Farben und hohen Kontrast. Dies ist in der Tat das beste LCD-Panel in Bezug auf die Farbwiedergabe, das ich bisher in einem VR-Headset gesehen habe. Das einzige Panel, das in Bezug auf die Farben bei LC-Displays mithalten kann, ist das der Reverb G2. Aber wenn ich mich für das bessere Panel entscheiden müsste, würde ich mich für das der Pro 2 entscheiden. Die Farben haben einfach ein bisschen mehr Intensität und der Kontrast ist noch ein bisschen besser, was für wirklich dunkle Schwarztöne sorgt. Es ist zwar immer noch kein OLED-Panel, aber LCD Panels haben sich schon deutlich verbessert, was Schwarzwerte anbelangt.
Wenn Ihr von der Valve Index kommet, werdet Ihr ohne Zweifel direkt sehen, dass die Farben dieses Panels besser sind, dasselbe gilt für Benutzer, die von den Pimax-Headsets kommen, die ein LCD-Panel haben.
FOV
Field of View! Oh ja, wir wollten schon immer mehr und jetzt wurden wir endlich erhört! Liefert die Vive Pro 2 wirklich ein FOV von 120° horizontal, das breiter ist als das des Valve Index? Ja, das tut es tatsächlich!
Aber ohne Zweifel sehe ich hier Stoff für Kontroversen, denn HTC hat ein ungewohntes FOV-Verhältnis gewählt. Bislang entsprach bei VR Brillen das horizontale FOV meist dem vertikalen. Wir schauten durch ovale Fenster in virtuelle Welten, vielleicht vergleichbar mit einem alten 4:3 Fernsehgerät. Jetzt erwartet HTC von uns, dass wir uns an ein breiteres 16:9-ähnliches Verhältnis gewöhnen sollen, denn das vertikale FOV ist sichtbar kleiner als das horizontale. Außerdem ist das Fenster in VR nun eher quadratisch als oval und das ist schon gewöhnungsbedürftig.
Wie groß ist denn nun das FOV?
Mit dem hmdq-Tool von Risa2000 können wir das FOV herausfinden, das tatsächlich für das Gerät gerendert wird. Dabei handelt es sich dann also um das de facto Maximum, das Ihr im allerbesten Fall sehen könnten. Für die Pro 2 sind das 117,25 Grad horizontal und 96,54 Grad vertikal. Zum Vergleich sind hier auch mal die Werte für Index und Reverb G2:
Pro 2: 117.25 Grad (h) – 96.54 Grad (v)
Reverb G2: 98,85 Grad (h) – 90,85 Grad (v)
Valve Index: 108.06 Grad (h) – 109.16 Grad (v)
Wie viele Grad des FOV gerendert werden und wieviel man davon tatsächlich im Headset sieht, hängt auch davon ab, wie gut das Gerät konzipiert ist und natürlich von der individuellen Anatomie des Benutzers. Ich habe einen Augenabstand von 64 mm, welches so ziemlich dem Durchschnitt entspricht. Für die Messung des tatsächlichen FOVs den ich in der Brille sehe benutze ich das TestHMD Tool. Ich komme dabei auf 114 Grad (h) und 90 Grad (v), wenn ich das Standard-Facepad benutze, das mit dem Gerät geliefert wird. Das ist besser als die 108 Grad (h), die ich in der Index horizontal sehe, aber schlechter als die 100 Grad (v), die ich dort vertikal sehe.
Meine allererste Reaktion, als ich zum ersten mal durch die Linsen der Pro 2 schaute, war: Ich sehe weniger(!) FOV! Ich konnte das breitere horizontale FOV überhaupt nicht schätzen, im Gegenteil. Eigentlich hatte ich das Gefühl, ich würde sogar weniger sehen als bei anderen Brillen mit Standard FOV. Es fühlte sich regelrecht komisch an, dieses ungewohnte FOV-Verhältnis in VR zu sehen. Es fühlte sich an, als hätte ich mein ganzes Leben lang auf einen 4:3-Bildschirm geschaut und dann zum allerersten Mal auf einen 16:9-Bildschirm. Meine erste Reaktion war, das Gerät komplett abzuschreiben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass wir diese erste Reaktion verstärkt von dem Incentiv des YouTube Algorithmus in vollem Umfang auf unserer Lieblingsvideoplattform verfolgen werden können, sobald das Gerät auf den Markt kommt! („OMG, ICH SCHAUE DURCH EINEN BRIEFKASTENSCHLITZ!!! DAS KLEINSTE FOV DAS ICH JEMALS GESEHEN HABE!!!“).
Ich habe dem Gerät jedoch eine Chance gegeben, und es einfach mal länger benutzt. Und das war eine sehr sehr gute Entscheidung. Am zweiten Tag fühlte es sich für mich überhaupt nicht mehr komisch an und ich konnte dann auch würdigen, dass ich tatsächlich mehr von den virtuellen Welten sehen kann als vorher. Es ist immer noch schade, dass das FOV-Verhältnis nicht auch vertikal größer geworden ist, denn dann hätten wir uns nicht an diese neue Art von FOV-Verhältnis gewöhnen müssen.
Meine Bedenken bezüglich des FOV-Verhältnisses verschwanden allerdings komplett, als ich herausgefunden habe, dass es noch viel Spielraum gibt, um das sichtbare FOV zu erhöhen, indem man die Augen näher an die Displays bringt. Das Gesichtspolster, das mit dem Gerät geliefert wird, ist ziemlich dick und deshalb habe ich es einfach durch eine dünneres VR Cover ersetzt. Dann hatte ich das Erlebnis, das ich mir erhofft hatte! Ich konnte endlich das breitere FOV in vollen Zügen genießen. Mit diesem dünneren Gesichtspolster habe ich dann ein FOV von 116 Grad (h) – 96 Grad (v) gemessen und das machte einen riesigen Unterschied. Also es ist mal wieder Zeit für den FrankenFOV Mod! Ich benutze dafür das Cool XG Foam von VR Cover. Das ist eigentlich für die Quest 2, aber es passt gut, und ist sehr dünn für viel FOV Gewinn. (Hier bestellen!)
Man kann hier sogar noch bessere Ergebnisse erzielen als beim Modden der Reverb G2 mit dünneren Facepads. Nach dem Modden erhaltet Ihr also ein visuelles Erlebnis, das in der Reverb G2 Liga mitspielen kann, jedoch mit einem breiteren FOV als dem der Valve Index. Und das sollte ein ziemlich spannendes Angebot für all diejenigen sein, für die das Bild in VR an erster Stelle steht.
Linsen
Nachdem HTC jahrelang die gleichen Linsen verwendet hat, gibt es nun endlich eine Neuentwicklung für die Vive Pro 2. Wir schauen nun durch ein übereinander gestapeltes Linsenpaar (“double stacked lenses”), eine Technologie, die wir von der Valve Index kennen. Genau wie beim direkten Konkurrenten ermöglicht diese Linsenkonstruktion ein breiteres Sichtfeld.
Leider kommen aber wieder Fresnel-Linsen mit ihren typischen konzentrischen Ringen zum Einsatz. Und die sind bekanntlich anfällig für Schlierenbildung und Godrays. Bei nicht doppelt gestapelten Linsendesigns wie bei der Reverb G2 oder den Oculus-Headsets wurde die Schlierenbildung bereits so weit reduziert, dass sie kein großes Problem mehr darstellt. Bei dem Double-Stacked-Design der Valve Index hatten wir allerdings große Probleme mit genau diesen Godrays. Leider ist das auch bei der Pro 2 der Fall. Die Godrays sind zwar nicht ganz so ausgeprägt wie bei der Valve Index, aber es ist trotzdem ein deutlich sichtbares Problem. Wenn das Godrayproblem der Valve Index euch abgeschreckt hat, wird es euch hier nicht anders gehen.
In normalen Spielsituationen wird es wahrscheinlich genauso wenig auffallen wie bei der Valve Index. In kontrastreichen Szenen sieht man jedoch klar störende Blendeffekte, z.B. bei weißem Text auf schwarzem Hintergrund. Das ist auch der Grund, warum ich im direkten A/B-Vergleichen mit der Reverb G2 die Bildqualität der G2 bevorzuge, einfach weil es weniger Godrays gibt. Wenn Ihr also an die Reverb G2 gewöhnt seid, wird Euch deutlich mehr Glare auffallen. Wenn ihr allerdings an die Valve Index gewöhnt seid, werdet Ihr etwas weniger davon sehen, aber im Allgemeinen wisst ihr schon, was Euch erwartet.
Auch in Bezug auf den Sweetspot sehen wir leider keine Verbesserungen. Um die Position zu erreichen, welche die schärfste Bildqualität über das gesamte Panel bietet, muss man das Headset erst einmal eine Weile hin und her bewegen. Wenn Ihr von Headsets mit besserem Sweetspot, wie zum Beispiel von Oculus kommt, werdet Ihr feststellen, dass Ihr wahrscheinlich etwas länger braucht, um diese Idealposition zu finden.
Im direkten Vergleich zur Valve Index sehe ich hier aber keine Nachteile, da man auch hier etwas Zeit braucht, um die perfekte Einstellung zu finden.
Sobald man dann aber im Sweetspot ist, bekommt man ein klares Bild.
Auch die Rand-zu-Rand-Klarheit ist auf Augenhöhe mit der Index. Wie bei allen Fresnel-Linsen gibt es jedoch eine gewisse Verschlechterung der Klarheit, je weiter man in die Randbereiche des Sichtfeldes kommt. Um eine vollkommen perfekte Bildqualität zu erreichen, müssen wir einfach weg von Fresnel-Linsen und zurück zu klaren, asphärischen wie es sie noch bei GearVR oder PSVR gab! Die erste Firma, die genau das für den Consumer-Markt macht, wird ohne Zweifel von der Community gefeiert werden und auch unser hart erarbeitetes Geld verdienen.
Insgesamt ist die Pro 2 also ein sehr solides visuelles Upgrade, das mit seinen wirklich guten hochauflösenden Panels punktet und die die besten Farben in dieser Display-Kategorie bietet. Das breitere Sichtfeld ist ein nettes Add-on, das vor allem dann voll ausgenutzt werden kann, wenn man seine Augen so nah wie möglich an die Linsen bringen kann. Das Sehvergnügen wird nur durch Godrays in kontrastreichen Szenen getrübt, die durch Linsen verursacht werden, welche keine Verbesserung zu den Valve Index Linsen darstellen.
Audio
Die Valve Index hat mit ihrem neuen Kopfhörerdesign eine herausragende Audiolösung eingeführt, die heute einfach der de facto Goldstandard ist. Und jedes Headset, das im High-End-Enthusiastenmarkt mitspielen will, muss sich an diesem Standard messen.
Die Pro 2 bietet Standard-On-Ear-Kopfhörer, die in Bezug auf ihr Design leicht verbessert wurden. Sie sehen besser aus und, was noch wichtiger ist, sie fühlen sich jetzt auch bei längeren Spielesessions besser auf den Ohren an.
Ich habe mich jedoch inzwischen daran gewöhnt, dass die Kopfhörer meine Ohren nicht berühren, und ich persönlich bevorzuge deshalb die Index Lösung. Allerdings kann ich auch nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die komplett von der Außenwelt abgeschottet sein wollen. Für diese Menschen sind On-Ear-Kopfhörer, die von außen kommende Geräusche blockieren, wahrscheinlich besser. Die Vive Pro 2 bietet genau so eine Lösung an.
Die Audioqualität selbst wird für die Mehrheit der Verbraucher gut genug sein. Ich konnte feststellen, dass die Valve Index-Kopfhörer schon eine bessere Audioqualität bieten, vor allem im Bassbereich, aber der Pro 2-Kopfhörer hat in meinem Test auch wirklich nicht schlecht abgeschnitten. Audiophile werden aber zweifelsohne die Valve Index Variante bevorzugen.
Die Kopfhörer sind eine akzeptable Audiolösung, aber HTC zeigt hier keine Ambitionen, tatsächlich mit der besten Lösung auf dem Markt zu konkurrieren.
Mikrofon
Ach.Du.Sch…! Es ist schwer in Worte zu fassen, wie enttäuschend es ist, dass HTC es wieder nicht geschafft hat, die Mikrofonqualität zu verbessern. In jedem einzelnen meiner vorherigen Vive Reviews habe ich darauf hingewiesen, dass das Mikrofon einfach nur absoluter Schrott ist. Es war für mich schon ziemlich unglaublich, dass die Firma das Mikrofon damals, als es von der Original Vive zur Vive Pro ging nicht verbessert hat. Aber dass dieses Upgrade hier wieder fehlt, ist ehrlich gesagt unerklärlich. Das Problem ist nicht so sehr die Audioqualität selbst, sondern der fehlende Pop-Filter. Jeder „P“-Ton führt zu lauten und hässlichen Pop-Geräuschen, die Euch in sozialen VR-Situationen sofort als Vive-Kunden brandmarkt. Das ist besonders schlecht für Unternehmenskunden, die das Headset für virtuelle Meetings nutzen wollen und ehrlich gesagt an dieser Stelle einfach nur noch peinlich für HTC.
Ich habe versucht, das Pop-Geräusch-Problem durch das Anbringen von Windfiltern für Kameramikrofone zu verbessern und die Ergebnisse sind tatsächlich ziemlich gut. Diese kosten nicht mehr als einen €uro pro Stück und ermöglichen es Euch, mit anderen Menschen in VR zu interagieren, ohne dass sie sofort merken, dass Ihr ein Vive Headset benutzt.
Das ist ein wirklich einfacher Mod, der viel bringt. Die kleinen Pop-Filter gibt es hier bei Amazon. So hört sich das ganze nach dem Mod an:
Ich habe HTC wegen des Mikrofonproblems kontaktiert und mir wurde gesagt, dass sie versuchen werden, die Situation softwareseitig zu verbessern. Das ist die gleiche Antwort, die ich auch schon bei der Vive Pro erhalten hatte, also da kann ich jetzt schonmal prophezeien: das wird nichts! HTC muss pro-aktiv eine Lösung für dieses Problem finden. Ich schlage vor, zumindest einen kostenlosen Pop-Filter in die Box zu legen, so peinlich das auch sein mag.
Controller
Die Vive Pro 2 wird nicht mit neuen Controllern ausgeliefert. Wenn man sich für das Komplettpaket für 1399€ entscheidet, erhält man ein Paar Basisstationen, die für das Tracking benötigt werden, und die Vive Wand-Controller.
Die Wand-Controller gibt es schon seit dem Erscheinen der ersten Vive und ich werde sie hier nicht noch einmal besprechen. Für Geschäftskunden sollten sie ausreichen, aber Gaming-Enthusiasten werden ohne Zweifel stattdessen lieber die Valve Index-Controller verwenden, die voll kompatibel sind.
Ich war zunächst ziemlich enttäuscht, als ich erfahren hab, dass wir mit der Pro 2 keine neuen Controller bekommen würden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass dieses Gerät höchstwahrscheinlich sowieso nur für Enthusiasten interessant ist, die von einem bestehenden Lighthouse-kompatiblen Headset aufrüsten, ist es verständlich. HTC sagte mir, dass neue Controller für Gamer wahrscheinlich keinen Mehrwert für das bestehende Ökosystem darstellen würden.
Insofern hätte ich mir gewünscht, dass HTC mit Valve zusammenarbeitet, um die Pro 2 im Bundle mit den Valve-Index-Controllern für Kunden anzubieten, die eben neu in genau diesem Ökosystem sind.
Performance
Bei all den Pixeln, die gerendert werden müssen, fragen Ihr Euch jetzt zu Recht: Könnt Ihr dieses Pixelbiest tatsächlich zähmen und ordentlich zum Laufen bringen? Die Antwort ist JA, man kann! Zumindest schließe ich das aus meinen bisherigen Tests, die ich auf meinem RTX3080-System (soweit keine Überraschungen hier), aber auch auf meiner schwächeren GTX1080ti-Maschine durchgeführt habe. In beiden Fällen lief die Pro 2 sehr gut und sogar besser als meine Reverb G2. Das kommt einem erstmal merkwürdig vor, da die Pro 2 ja mehr Pixel zu rendern hat als die G2. Allerdings rendert die Pro 2 bei 100% SteamSS gerade genug Pixel um die native Auflösung zu erreichen, wobei bei der G2 bei 100% Steam SS schon eine wesentlich höhere Auflösung als die des eigentlichen Panels gerendert wird. Dies hat mit einem höheren Framebuffer bei der G2 zu tun.
Auf meiner RTX3080 konnte ich mit der Vive Software aus 5 Einstellungen wählen:
Performance (2448*1224, 120hz)
Balanced (3264*1632, 90hz)
High (3672*1836, 90hz)
Ultra (4896*2448, 90hz)
Extreme (4896*2448, 120hz)
Für meine Tests habe ich die “Extreme” Einstellung gewählt, da ich die Pro 2 voll ausreizen wollte. Ich war angenehm überrascht, wie gut alle meine Spiele bei diesen maximalen Einstellungen liefen. Ich konnte Half-Life: Alyx in den höchsten Grafikeinstellungen mit konstanten 120 fps spielen und es sah einfach richtig gut aus.
Da wir wissen, dass Half-Life: Alyx ein sehr gut optimiertes Spiel ist, das auf vielen Systemen gut läuft, habe ich auch anspruchsvollere Titel wie XPlane 11 oder Project Cars 2 getestet. Bei beiden Spielen konnte ich sehr respektable 60 fps erreichen. Ein Kunststück, das ich mit meiner Reverb G2 bei voller Grafikpracht auf dem gleichen System nicht hinbekommen habe.
Um einen besseren Vergleich mit anderen Headsets zu ermöglichen, habe ich das OpenVR Benchmark Tool laufen lassen. Für alle Leser, die diesen Benchmark nicht kennen: Er ist auf SteamVR frei verfügbar und rendert eine sehr anspruchsvolle Szene, die darauf ausgelegt ist, die GPUs und die daran angeschlossenen Headsets auf auf Vollast laufen zu lassen.
Bei der Vive Pro 2 habe ich mit der RTX 3080 sehr respektable 33,6 fps erreicht. Verglichen mit den 28 fps, die die Reverb G2 auf dem gleichen System erzielte, kann man sagen, dass die Pro 2 ein ganzes Stück besser abschneidet als die Reverb G2. Wie ist das möglich? Die Reverb G2 rendert eine deutlich höhere Auflösung bei 100% SS für ihren Framebuffer und ist daher nicht ganz so performant wie die Pro 2. Wenn Ihr eine RTX 3080 besitzt, könnt Ihr das OpenVR Benchmark-Tool mit Eurem aktuellen VR-Headset mal laufen lassen und Eure Ergebnisse mit denen der Vive Pro 2 vergleichen.
Auf meinem GTX1080ti System konnte ich die Optionen “Ultra” und “Extreme” dann nicht mehr anwählen, also habe ich mich für die Einstellung „High“ entschieden. Natürlich habe ich auch hier Half-Life: Alyx laufen lassen. Selbst bei dieser niedrigeren Auflösung sah ich einen schönen Bump in der Bildqualität gegenüber der Valve Index. Der hohe Füllfaktor der Panel macht einfach den Unterschied aus und eliminiert das Fliegengitter, egal ob man es mit sehr hohen Auflösungen laufen lässt oder nicht.
Ich war angenehm überrascht, dass ich Half-Life: Alyx mit konstanten 90 fps auf dieser älteren Maschine habe laufen lassen können, und zwar mit einer Grafik, die immer noch absolut gut aussah.
Um die Leistung allgemein vergleichbarer machen zu können, habe ich auch hier den OpenVR-Benchmark laufen lassen. Auf der 1080ti-Maschine war das Tool in der Lage, durchschnittlich 38,49 fps zu rendern, was sogar ein besseres Ergebnis war als das, was ich auf der 3080-Maschine erreichen konnte, natürlich bei einer niedrigeren Auflösung.
Wenn meine Ergebnisse auf ähnlichen Setups repliziert werden können, würde das bedeuten, dass die Pro 2 ein spannendes Upgrade für Unternehmenskunden und VR-Enthusiasten ist, die mit ihren bestehenden Setups breitere FOVs und bessere Bildqualität ohne Fliegengitter Effekt genießen wollen, und zwar ohne sich schnellere GPUs anschaffen zu müssen. Und das ist schon ein interessantes Angebot in Zeiten wie diesen, in denen es schwer ist, an eine neue Grafikkarte zu kommen.
Fazit
Die Vive Pro 2 ist ein solides Upgrade in Bezug auf Bildqualität und FOV. Ihr könnt Bildqualität auf Reverb-G2-Niveau erwarten, und zwar auf einem breiteren Sichtfeld, als die Valve Index es bietet.
HTC geht hier allerdings etwas zu sehr auf Nummer sicher, um die Pro 2 als „aufregendes“ oder „Must-Have“-Update zu bezeichnen: wir haben keinen Facelift für das Design bekommen (erträglich), aber leider hatte HTC auch nicht den Ehrgeiz, mit der besten Audiolösung am Markt mithalten zu wollen. Und beim Mikrofon haben sie (mal wieder) kläglich versagt.
Für VR-Enthusiasten, die bereit sind, das Mikrofon mit einem 1€ Pop-Filter zu modden und die nicht auf Valve-Index-Kopfhörer bestehen, ist die Vive Pro 2 ein solides Upgrade, das sie noch nicht einmal dazu zwingt, ihre bestehenden GPUs aufzurüsten. Aber sobald High-End-GPUs breiter verfügbar sein werden, bietet das Headset ann „Ultra“- und „Extreme“-Grafikeinstellungen an, um das Gerät vollständig auszureizen.
Um Euch dabei zu helfen, eine fundiertere Kaufentscheidung zu treffen, werde ich Euch basierend auf Eurem jetzigen Headset mal genauer beraten, ob sich die Pro 2 für Euch lohnen könnte.
Wenn Ihr eine Valve Index besitzt und damit zufrieden seid, werde ich Euch jetzt nicht hier sagen, dass Eure Index nicht mehr gut genug ist. Die Index ist ein verdammt gutes Headset und das Panel sieht immer noch gut genug aus, besonders wenn man nicht schon an höher auflösende Panels wie dem der G2 gewöhnt ist. Sie hat ein Mikrofon, das so viel besser ist als das der Pro 2 und eine Audiolösung, die bis jetzt immer noch unerreicht ist. Wenn Euch das Mikrofon und die Index Kopfhörer sehr am Herzen liegen, braucht Ihr hier nicht zuschlagen.
Wenn Ihr aber schon immer etwas neidisch auf die Reverb G2 Besitzer geschaut habt und auch diese unglaublich scharfen, hochauflösenden Panels mit noch besseren Farben genießen wollt, könnt Ihr das jetzt auch haben, und zwar mit dem Tracking, das Ihr liebt. Dazu gibt es dann auch nochmal ein breiteres FOV. Ich selbst gehöre genau zu dieser Kategorie. Ich habe die Index wirklich genossen, aber die Reverb G2 hat mir das ganze wegen der besseren Optik einfach verdorben. Deshalb bin ich froh, dass es jetzt eine Lighthouseversion mit einem noch größeren FOV gibt. Ich persönlich werde deshalb meine Vorbestellung für die Pro 2 behalten. Ich habe bereits eine Packung mit 10 selbstklebenden Pop-Filtern gekauft, also insofern passt das schon.
Wenn Ihr allerdings eine Reverb G2 besitzt, ist die Situation ein wenig anders. Ihr seid bereits an das hochauflösende visuelle Erlebnis in VR gewöhnt und habt sogar bessere Linsen mit weniger Godrays. Wenn Ihr außerdem keine Lighthouse-Basisstationen und Controller besitzt, kostet dieses Upgrade mit Sicherheit mehr als1400€, und das ist schon eine ganze Menge Holz. Wenn Ihr die Reverb G2-Controller nicht ausstehen könnt und ein besseres Tracking und ein breiteres FOV wollt, ist das dann aber der Preis, den Ihr hinblättern müsst. Aber vielleicht habt Ihr ja noch irgendwo Basisstationen und Controller herumliegen?
Für Besitzer einer Vive oder einer Vive Pro ist die Vive Pro 2 ein wirklich gutes und sogar empfehlenswertes Update. Ohne die Notwendigkeit, Eure GPU zu aktualisieren, erhaltet Ihr eine viel bessere Bildqualität und ein breiteres FOV. Für Vive Pro-Benutzer, die es gewohnt sind, dass ihr Gerät heiß läuft, ist die Pro 2 auch ein Upgrade, da es dieses Problem hier nicht so nicht gibt. Allerdings werdet Ihr den Wechsel von Oled zu LCD schon spüren, auch wenn es sich um ein wirklich gutes LCD-Panel handelt. Aber die Schwarzwerte von OLED-Headsets sind bis heute eben noch von keinem LCD-Panel erreicht worden.
Wenn Ihr Fans von den superbreiten Pimax FOVs seid und deshalb ein solches Gerät besitzt, dann könnte ich mir vorstellen, dass sich für euch zum ersten Mal seit der Index auch hier ein Blick lohnt. Besonders mit einem dünneren Gesichtspolster kann die Pro 2 Euch ein FOV bieten, das in den Bereich kommt, der für euch spannend wird – ganz ohne Verzerrungen.
In Bezug auf die Bildqualität übertrumpft die Pro 2 alle Pimax-Headsets. Die einzige Pimax-Brille, die in Bezug auf Pixel pro Grad mithalten kann, ist die 8 KX. Allerdings sind die Farben der Pro 2-Panels wesentlich besser, und sie bieten 120hz.
Wenn Ihr eine Quest oder Quest 2 besitzt und in den High-End-PCVR-Markt einsteigen wollt, könnt Ihr die Pro 2 in Erwägung ziehen. Ihr bekommt eine bessere Bildqualität, kontrastreiche Farben und ein breiteres Sichtfeld. Allerdings ist das ganze dann schon ganz schön teuer und es würde da vielleicht mehr Sinn machen, einfach eine Reverb G2 oder das Index Komplettpaket für 1079€ zu kaufen. Am besten behaltet Ihr jedoch einfach die Quest 2 und wartet auf die Quest 2 Pro.
Insgesamt ist die Vive Pro 2 ein solides Update. Zwar kein aufregendes, aber dennoch solide genug um für viele von Euch interessant zu sein und die Zeit bis zum nächsten echten Must-Have Update zu überbrücken. Liebe VR Firmen, wie wäre es mal mit einem echten Knaller für uns Enthusiasten, der uns OLED Displays, breites Sichtfeld und endlich mal wieder asphärische Linsen ganz ohne Godrays kredenzt?
Sebastian Ang, 29. Mai 2021
Intet
I mag den grossen Pimax Sweetspot. Verstehe ich das richtig, das der Sweetspot hier etwa gleich ist wie der der ursprünglichen Vive Pro oder doch mehr wie die Index? Das war nämlich mein Grund warum ich meine Vive Pro Eye zurückgegeben hab. Das war unerträglich für mich. Index ging eigentlich von der kurzen Zeit wo ich sie probieren konnte.